Noch gibt es günstige Konditionen für Baugeld. Aber Medienberichten zufolge könnten die Zinsen bald anziehen. Faktencheck: Was wirkt sich direkt auf die Kreditzinsen aus – und welche Rolle spielt dabei die Europäische Zentralbank wirklich?
„Die Europäische Zentralbank (EZB) wird absehbar ihre Politik des Nullzinsniveaus ändern – und an der Zinsschraube drehen. Dann wird auch direkt das Baugeld teurer…“ Solche und ähnliche Prognosen finden sich derzeit in den Medien. Die Wirklichkeit ist allerdings komplexer. Fakt ist: Der Marktzins für Immobiliendarlehen ist nicht an einen, sondern mehrere unterschiedlich wirksame Faktoren an den Kapitalmärkten gekoppelt. Dabei werden allerdings zwei Einflussfaktoren besonders in den Blick genommen: „Bei der Berechnung von Baugeldkonditionen spielen die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und die Zinsen von deutschen Pfandbriefen eine wichtige Rolle“, sagt Marc-Philipp Unger, Leiter Immobilien und Finanzierung beim Finanzdienstleister MLP.
Die von der Deutschen Giro-Zentrale Frankfurt (DGZF) ausgewiesene Rendite für zehnjährige Pfandbriefe ist ein zentraler Indikator für die Entwicklung des Zinsniveaus bei der Baufinanzierung. Diese Renditekennzahl wird von den Landesbanken und der Deka-Bank, dem zentralen Investmenthaus der Sparkassen, ermittelt. Sie spiegelt den Wert wider, zu dem öffentlich-rechtliche Kreditinstitute Pfandbriefe anbieten. Die zweite zentrale Orientierungsgröße zur Festsetzung von Konditionen für Baugeld ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Die Zinsentwicklung der Schuldscheine, die zur Refinanzierung von Deutschlands Schulden dienen, verläuft nahezu im Gleichklang zur DGZF-Rendite.
„Beide Indikatoren werden direkt durch politische Unsicherheiten in Teilen Europas mit wie zuletzt in Italien sehr fragilen Regierungsbildungen beeinflusst. Investoren bevorzugen daher weiterhin möglichst sichere Anlagen“, so Unger. Deutsche Staatsanleihen und Pfandbriefe, die als Sicherheitsanker gelten, können deshalb noch zu sehr niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt verkauft werden – was gleichzeitig auch die Bauzinsen auf einem niedrigen Niveau hält. Erst wenn sich diese Situation an den Kapitalmärkten anhaltend verbessert, ziehen Investoren risikoreichere Anlageklassen in Betracht. Die Nachfrage nach vergleichsweise sicheren Anlagen mit niedriger Verzinsung geht dann zurück. Weitere Folge: Die Zinsaufschläge von Pfandbriefen und deutschen Anleihen steigen entsprechend. Das hat dann starken Vorbildcharakter für die Baugeldkonditionen.
Der Leitzins der EZB ist insgesamt betrachtet also ein eher nachgelagerter Einflussfaktor. Hintergrund: Aus dem Leitzins ergeben sich auch die Bedingungen, zu denen sich die Banken untereinander Geld leihen können. Ist der Leitzins wie derzeit bei 0,0 Prozent, können sich die Geldhäuser entsprechend günstig Geld beschaffen – und vergeben im Zuge dessen häufiger Kredite und Baudarlehen zu niedrigeren Konditionen. Auch ist die Bauzinsentwicklung indirekt abhängig vom regulatorische Rahmen. So müssen Banken im Zuge der weiteren Umsetzung der europäischen Vorgaben durch Basel III, also mit verschärften Kapital- und Liquiditätsvorschriften, auch Kredite mit mehr Eigenkapital hinterlegen. „Diese Mehraufwände und einhergehenden Kostensteigerungen werden früher oder später in Teilen auch an die Kunden der Banken weitergegeben“, sagt Unger.